Im Kunst-Grundkurs Q2 sind im Frühjahr 2021 acht Installationen entstanden, die die Biographie „Golden America – A memoir“ von Bella Tabak künstlerisch reflektieren.
Die Schülerinnen und Schüler haben in Holzwürfeln mit einer Kantenlänge von 40 cm Räume entworfen, die die traumatischen Erinnerungen, Ängste, aber auch Hoffnungen der in Solingen geborenen Jüdin aufgreifen und in ausdrucksstarke Bilder umsetzen.
Bella Tabak erlebte als Siebenjährige im November 1938 in der Pogromnacht den Überfall von SS-Männern, die ihre Wohnungseinrichtung zerstörten und ihren Vater Sally schwer misshandelten. Er wurde danach zusammen mit anderen jüdischen Männern aus Solingen in das KZ Dachau gebracht. Nach seiner Entlassung floh die Familie zunächst nach Belgien, wo sie aber auch nicht sicher war, genauso wenig wie in Frankreich. Erst die weitere Flucht in die Schweiz brachte zwar Sicherheit vor der Verfolgung, aber bedeutete auch eine vorübergehende Trennung von den Eltern, die hier als Deutsche in Internierungslagern leben mussten. Erst nach dem Krieg konnte Bella zusammen mit ihren Eltern in die USA auswandern.
Hier geht es zur virtuellen Ausstellung „Golden America – A Memoir“ im Max-Leven-Zentrum.
„Der vermeintliche Jude Andri lebt seit seiner Kindheit in Andorra. Bisher stellte sein „Jud Sein” nie ein Problem dar. Bis jetzt. Als er dann auch noch um die Hand von Barblin anhält, gerät alles aus dem Ruder. Ein Drama voller Vorurteile, Antisemitismus und einem Jungen mit falscher Vergangenheit.“ (Klappentexte der Schüler:innen für das Drama Andorra)
Im Schuljahr 2020/2021 beschäftigten sich alle 9. Klassen des Humboldtgymnasiums Solingen in ihrem Deutschunterricht mit dem Drama Andorra des Schriftstellers Max Frisch. In Form einer Parabel werden in diesem die weitreichenden Auswirkungen von Vorurteilen thematisiert – wie kann ich meine eigene Identität bewahren, während sich meine Umwelt ständig ein Bild von mir macht und mich mit diesem konfrontiert?
In dem Kunst- und Literaturprojekt […] sollte das Drama nicht nur auf der textlichen Ebene analysiert werden, sondern darüber hinaus eine kreative Ausarbeitung anhand von Bildern und Tondokumenten stattfinden. Hierfür wurden die einzelnen Szenen – in Max Frischs Drama Bilder genannt – unter den einzelnen Klassen aufgeteilt, zusammengefasst und interpretiert. In Gruppenarbeit wurden dann die analysierten Hauptaussagen der jeweiligen geschriebenen Bilder in eine kreative, bildliche Ebene […] übertragen. Die sogenannten Zeugenschranken des Dramas, welche zwischen den einzelnen Szenen stehen, wurden von den Schüler:innen vertont und mit einem „Shitstorm“, bestehend aus einzelnen Stimmen und Statements, in unsere Gegenwart übertragen. Diese sind über die jeweiligen QR-Codes mittels eines digitalen Endgeräts abrufbar. Die Sprechblasen fordern den Betrachtenden dazu auf, aktiv Stellung zum Gesagten zu nehmen.
Text: A. Peter; Zentrum für verfolgte Künste
Antisemitismus, Vorurteile, Ausgrenzung – mit diesen Themen beschäftigt sich das kreative Kunst- und Literatur-Projekt „Andorra“, welches in Kooperation mit der Museumspädagogik des Zentrums für verfolgte Künste entstand. Die ehemalige 9. Jahrgangsstufe des Humboldtgymnasiums hat sich im vergangenen Jahr mit dem Drama „Andorra“, verfasst von Max Frisch, auseinandergesetzt.
Thematisiert wird das Leben des vermeintlichen Juden Andri, welcher mit Antisemitismus, Vorurteilen, Ausgrenzung und gesellschaftlichen Zwängen zu kämpfen hat. Ihren Ursprung findet die Geschichte im Theater, weshalb das Drama in 12 verschiedene Bilder aufgeteilt ist. Jedes Bild beschreibt somit eine unterschiedliche Szene der Gesamthandlung. Im Anschluss an die schulisch bedingte Auseinandersetzung mit dem Drama teilten sich Schülerinnen und Schüler in Gruppen ein. Daraufhin wurden einzelne Bilder an diese Gruppen zur Gestaltung eines Plakates verteilt. Auf diesem Plakat konnte man jegliche Ideen, Gefühle und Gedanken visualisieren und aus einem Bild eine spezielle Handlung veranschaulichen. Dies geschah mit Hilfe diverser Kunstkataloge, aus denen passende Zeichnungen und Fotografien zur Gestaltung der Collagen entnommen wurden.
Eine Besonderheit dieser einzigartigen Ausstellung sind zusätzliche Tonaufnahmen verschiedener Figuren, welche sich über einen QR-Code abrufen lassen. Diese wurden im Raum der Radio-AG des Humboldtgymnasiums aufgezeichnet. Die Audiodateien lassen sich dann sowohl direkt vor Ort als auch Zuhause abspielen. In den besagten Tonaufnahmen kann man die Zeugenschranken – die Kommentare unterschiedlicher Figuren – hören, nachdem die Hauptfigur Andri verschleppt und schließlich ermordet wurde.
Darauf folgen Kommentare und Gedichte der Schülerinnen und Schüler, welche diesen todesverharmlosenden oder gar schuldleugnenden Aussagen entgegenwirken.
Das bisherige Feedback zu dem Projekt zeichnet sich vor allem durch die positive Kritik der Besucher aus. Die ausdrucksstarken Collagen in Zusammenhang mit den Tonaufnahmen ziehen jeden in ihren Bann und vermitteln in ihrer Eindringlichkeit ein Schreckensszenario der Judenverfolgung.
Aus diesem Grund denken wir, dass diese Ausstellung nicht nur eine Verständnishilfe oder ein Schulprojekt sei, sondern noch viel mehr: Ein gutes Zeichen, eine Erinnerung, die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und ein Appell an die Gesellschaft, mit dem man so viele Menschen wie möglich erreichen sollte.
29.08.2021
Henri Baersch, Jonas Jacobs
Humboldtgymnasium Solingen, 9. Jahrgangstufe
Die Ausstellung wird aktuell im Zentrum für verfolgte Künste gezeigt und ist dort noch bis Freitag nach Jom Kippur (17.09.21) zu sehen. Im Anschluss gibt es sie im Humboldtgymnasium Solingen zu sehen.
Fotos:
B. Fritsche; Zentrum für verfolgte Künste
Zentrum für verfolgte Künste | Center for Persecuted Arts
Wuppertaler Str. 160
42653 Solingen